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Die Leipziger Genealogische Gesellschaft e.V.
Sachsen im Allgemeinen und Leipzig im Besonderen sind bekannt wegen ihrer genealogischen Traditionen. Erinnert sei hierbei an die 1904 in Leipzig entstandene Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte und an die 1967 ebenfalls in Leipzig gegründete Zentralstelle für Genealogie der DDR.
Die ursprünglich angelegte Adelsgenealogie wandelte sich in Deutschland im Laufe der Zeit zur breiter angelegten Volksgenealogie. Dazu beigetragen haben lokale genealogische Arbeitskreise. So bildete sich am 23. Oktober 1907 in Leipzig ein Ortsausschuss der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte mit der Bezeichnung Genealogischer Abend. In diesen Vortragsabenden, die in Leipzig aber nur einige Jahre stattgefunden hatten, wurde über genealogische Themen referiert.
Der Missbrauch der Genealogie im nationalsozialistischen Deutschland führte dazu, dass die Familiengeschichtsforschung nach 1945 diskreditiert war und ihr mit Zurückhaltung begegnet wurde.
Die Hobby-Genealogen führten ihre Familienforschungen weiter. Sie suchten nach genealogischer Anleitung und fachlichem Austausch. So wurden die Vortragsabende der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familienforschung wiederbelebt, und bald nach 1945 traf sich eine Gruppe vorwiegend Leipziger Familienforscher in der Deutschen Bücherei zu diesen Veranstaltungen. Insgesamt fanden so z. B. von 1949 bis 1954 33 derartige Veranstaltungen statt. Diese Arbeitsabende wurden bis zu seinem Tod 1950 von Dr. Johannes Hohlfeld, bis März 1957 von Dr. Karl Steinmüller und dann von Waldemar Schupp geleitet. Mit dem Weggang von W. Schupp 1960 hörte dieser Arbeitskreis auf, zu bestehen.
Die Leipziger Genealogen trafen sich jedoch privat weiter. Am 1. Oktober 1967 wurde die Zentralstelle für Genealogie der DDR in Leipzig gegründet. Diese Gründung wurde durch eine Reihe von Gutachten von Historikern, Soziologen und Naturwissenschaftlern empfohlen. Durch diese Gründung verbesserte sich die Arbeitsweise der Genealogen.
Die Treffen der Leipziger Genealogen wurde in der Tradition der Genealogischen Abende in Privatwohnungen durchgeführt, so z. B. in den Wohnungen von Dr. Hans-Joachim Kretschmar und Gerhard von Bose. Der Teilnehmerkreis der privaten Genealogentreffen wuchs ständig. Auch von außerhalb Leipzigs stießen Interessenten dazu. Die bestehende Situation erwies sich zunehmend als unbefriedigend, denn die Zentralstelle für Genealogie als staatliche Einrichtung konnte den Bedarf nach genealogischer Anleitung und fachlichem Austausch nur bedingt entsprechen.
In Magdeburg hatte sich 1969 eine Arbeitsgemeinschaft für Genealogie innerhalb des Kulturbundes der DDR gegründet. Der Kulturbund war in der DDR die einzige gesellschaftliche Institution, in der eine Ansiedlung einer derartigen organisierten Gemeinschaft möglich war. Besonders seit der Bildung der Magdeburger Arbeitsgemeinschaft Genealogie zeigte sich, dass in Leipzig so eine Organisationsform fehlte, die dem genealogischen Erfahrungsaustausch diente und die über persönliche Bekanntschaften hinausging. Deshalb entschlossen sich die Leipziger Genealogen, ebenfalls eine derartige Arbeitsgemeinschaft zu gründen. Die in diesem Zeitraum gesellschaftlich aktivierte Förderung der Heimatgeschichte bildete eine gute Voraussetzung für das Unternehmen.
Dr. Volkmar Weiß nahm den Kontakt zur Stadtleitung Leipzig des Kulturbundes auf und erstellte am 20. September 1978 die Konzeption einer Arbeitsgemeinschaft „Historische Soziologie und Genealogie“ beim Kulturbund der DDR, Ortsgruppe Leipzig-Stadt. Fußend auf dieser Konzeption und den durchgeführten Gesprächen entschloss sich die Stadtleitung Leipzig im Februar 1979, ein Schreiben An alle Inte-ressierten der Genealogie in der Stadt Leipzig und der näheren Umgebung zu senden und zu einer Versammlung am 22. März 1979 in den Klub der Intelligenz in Leipzig einzuladen, um eine derartige Arbeitsgemeinschaft zu gründen. An dieser Versammlung nahmen 17 Personen teil, davon zehn aus Leipzig, zwei Personen aus Halle und je eine Person aus Berlin, Schkopau, Balgstädt, Torgau und Fuchshain. Unter diesen Gründungsteilnehmern finden sich solche Namen wie Dr. Hans-Joachim Kretschmar, Gerhard von Bose, Wolfgang Strubell, Erhard Werndl, Dr. Karl Höhnel, Dr. Hermann Metzke, Helmut Luft, Dr. Hans-Joachim Rothe und Dr. Volkmar Weiß. Diese Personen waren unmittelbar mit der sächsischen und/oder der deutschen Genealogie verbunden und haben diese entscheidend mit geprägt.
Dr. Hans-Joachim Rothe war der damalige Leiter der Zentralstelle für Genealogie, und der schon im hohen Alter stehende Dr. Karl Höhnel, war der frühere Direktor des Staatsarchivs Leipzig, der die 1962 von der Deutschen Bücherei in das Staatsarchiv Leipzig abgegebenen Bestände der Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte sowie die später hinzu gekommenen familiengeschichtlichen Unterlagen betreute und auskunftsfähig hielt. Als Leiter der Arbeitsgemeinschaft wurde Dr. Volkmar Weiß gewählt.
Am 3. Dezember 1981 fasste die Arbeitsgruppe Genealogie Leipzig den Beschluss, eine Untergruppe zu bilden, die sich der genealogischen Arbeit in der Stadt und im Bezirk Halle widmete. Mit der Leitung der Untergruppe wurde Dr. H. Metzke beauftragt. Hermann Metzke war auch schon Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Genealogie in Magdeburg. Er war später Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände, dem Dachverband der genealogischen Vereine in Deutschland.
In der Folgezeit gründeten sich auch in anderen Städten der damaligen DDR genealogische Arbeitsgemeinschaften, 1984 in Weimar, 1985 in Dresden, 1986 in Annaberg-Buchholz, Berlin und Chemnitz, 1987 in Freiberg, 1988 in Plauen, Reichenbach und Zwickau. Viele dieser Gründungen unterstützte Dr. Weiß, was manchmal nicht einfach war, denn der Kulturbund übte indirekt eine staatliche Kontrolltätigkeit aus.
In den Versammlungen der Arbeitsgemeinschaft Genealogie Leipzig wurden vorrangig fachbezogene Vorträge gehalten. Diese Vorträge waren fast immer auf hohem, teilweise sogar auf sehr hohem fachlichen Niveau.
Eine erste große Herausforderung für die Leipziger Gruppe bildete das 2. Genealogentreffen in der DDR am 06.10.1984 in Leipzig. Das erste Treffen hatte 1981 in Magdeburg stattgefunden. Damals kamen die Teilnehmer fast ausschließlich aus der Magdeburger und der Leipziger Gruppe. Die beiden Gruppen zählten zur damaligen Zeit insgesamt 61 Mitglieder. Die Leipziger Tagung, welche schon überregio-nalen Charakter hatte und eine große Resonanz fand – es lagen über 150 Anmeldungen vor – gab auch zusätzliche Impulse zu den schon erwähnten Gründungen weiterer Arbeitsgemeinschaften in der DDR. Das Grundsatzreferat, gehalten von Prof. Dr. W. Lorenz, beschäftigte sich dabei mit dem Stand der Genealogie in der DDR einschließlich der Situation der genealogischen Arbeitsgemeinschaften.
Auch das 3. und größte Genealogentreffen der DDR, 1989 in Friedrichroda, fand unter aktiver Beteiligung von Leipziger Teilnehmern statt.
Nach zehn jähriger Tätigkeit als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Genealogie Leipzig trat Dr. Volkmar Weiß 1989 von dieser Funktion zurück. In dieser Zeit konnte die Arbeitsgemeinschaft auf 107 Veranstaltungen mit einer Gesamtbesucherzahl von 2623 Personen zurückblicken
Als Stellvertreter fungierte jahrelang bei den Leipziger Genealogen Prof. Dr. W. Lorenz. Er übernahm 1989 die Leitungsfunktion innerhalb der Leipziger Arbeitsgruppe. Durch seinen Wegzug nach Beendigung seiner Berufstätigkeit im Jahre 1991 in seine Geburtsstadt Annaberg-Buchholz übte er diese Funktion nur ein Jahr aus.
Seit Januar 1990 fanden in den monatlichen Zusammenkünften Diskussionen über die Zukunft der Leipziger Genealogiearbeitsgemeinschaft statt. Im Ergebnis einer Aussprache im Mai des Jahres wurde beschlossen, einen selbständigen Leipziger genealogischen Verein zu bilden. Diese Gründung erfolgte am 7. Juni 1990 mit einem einstimmigen Votum der anwesenden Mitglieder. Als Name der Leipziger familienkundlichen Vereinigung wurde sich für Leipziger Genealogische Gesellschaft e.V. entschieden.
Zum Vorsitzenden wurde Dr. Uwe Bauer gewählt.
In den nächsten Jahren kamen auf den Verein große Anforderungen zu, die bewältigt werden mussten. Der Verein musste sich an die gesellschaftl. Veränderungen anpassen. Zuerst gab sich der Verein eine Satzung, wurde im Vereinsregister registriert und wurde auch finanziell selbständig. Das war nicht einfach, denn in dieser bewegten Zeit verließen einige Mitglieder den Verein. Ein neuer Versammlungsraum musste gefunden werden. Aber diese Hürde wurde gemeistert. Der Verein führt heute seine Veranstaltungen in der Stadtbibliothek und in der Gutenbergschule durch.
Desweiteren gab es erhebliche Bewegungen und Diskussionen in der ostdeutschen Genealogie-Landschaft. Aber wie die anderen sächsischen Genealogievereine in Chemnitz und Dresden hat auch der Leipziger Verein seine Selbständigkeit bewahrt. Nach der kurzen Phase der Konsolidierung wuchs auch wieder die Zahl der Vereinsmitglieder. Am 09.09.1992 erfolgte der Beitritt der LGG zur „Deutschen Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände“ und 1997 wurde sie außerdem Mitglied der „AMF“.
Selbstverständlich wurde Bewährtes beibehalten. So führt der Verein wie bisher jährlich zehn Veranstaltungen durch. Inhalte dieser Treffen sind Fachvorträge , methodische Arbeitsabende wie auch quellenkundliche, regional- und stadtgeschichtliche Ausführungen. Im Programm stehen außerdem Besuche in Museen, Archiven und Bibliotheken sowie jährlich eine genealogische Exkursion.
Die Publikationsorgane der Arbeitsgemeinschaft Genealogie Leipzig bzw. der Leipziger Genealogischen Gesellschaft e. V. (LGG) waren unterschiedlich. Vor 1989 war auf Grund der in der DDR herrschenden Bestimmungen eine selbständige Veröffentlichung nicht möglich. Eine Veröffentlichung war nur im Rahmen der Publikationsorgane des Kulturbundes gegeben. So veröffentlichten die Magdeburger und die Leipziger Gruppe die Hefte 2 (1981) und 4 (1983) der Zeitschriftenreihe „Familienforschung heute“ gemeinsam. Danach publizierten Mitglieder der Leipziger Gruppe 1983 und 1986 zwei Hefte unter dem Titel „Genealogie als historische Soziologie“, in der sich die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft in diesem Zeitraum widerspiegelt. Ab 1990 wurden die „Genealogischen Blätter“ der LGG herausgegeben. Sie erschie-nen 1990 zehnmal und 1991 als Doppelheft sechsmal. Ihre Fortsetzung fanden sie ab 1992 in der Zeitschrift „Familie und Geschichte“, die von Prof. Dr. W. Lorenz geleitet wurde und in der auch Leipziger Genealogen publizieren. In diesen Heften veröffentlichen die sächsischen und thüringischen genealogischen Vereine gemeinsam.
Der Computer hat auch in der Familienforschung seinen Einzug gehalten. Hierfür hat sich inzwischen der Begriff Computergenealogie ein-gebürgert. Heute arbeitet der größte Teil der Leipziger Genealogen nur noch mit Computerprogrammen. Diese Arbeit mündete letztendlich in der Gründung des Arbeitskreises Computergenealogie am 26. April 2001. Gegenwärtig besitzt die LGG eine eigene Homepage, in der sie ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht.
Der Höhepunkt der genealogischen Tätigkeit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Genealogischer Verbände e.V. (DAGV) ist der jährliche, über vier Tage stattfindende Deutsche Genealogentag. Die Ausrichtung des 51. Deutschen Genealogentages 1999 wurde im Jahr 1997 der Leipziger Genealogischen Gesellschaft übertragen. Dieser Genealogentag fand vom 10.-13. September 1999 statt.
Die Veröffentlichungen der Forschungsergebnisse der einzelnen Mitglieder erfolgt vorrangig in der Zeitschrift Familie und Geschichte und im Internet. Weiterhin hat die LGG ein Kolloquium zur sächsischen Genealogie initiiert. Es fand erstmals am 16. März 2002 in Leipzig statt und wurde jährlich fortgeführt. Diese Veranstaltungsreihe wurde bisher siebenmal gemeinsam mit dem Genealogischen Verein Chemnitz e.V., dem Adam-Ries- Bund e.V. Annaberg- Buchholz und den Vogtländischen Familienforschern durchgeführt. Auch setzt die LGG ihre guten Beziehungen mit der Deutschen Zen-tralstelle für Genealogie Leipzig und dem Sächsischen Staatsarchiv Leipzig fort. Natürlich werden auch gute Kontakte zu den anderen genealogischen Vereinen gepflegt, besonders zu den Hallenser Familiengeschichtsforschern sowie der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde.
Die LGG betrachtet sich als genealogischer Ansprechpartner für die Genealogen Westsachsens. Den Schwerpunkt ihrer genealogischen Tätig-keit sieht die LGG in der Weitervermittlung von vorrangig genealogischen Informationen und in der Weiterbildung.
Die Leipziger Genealogische Gesellschaft e. V. ist sich der genealogischen Tradition ihrer Stadt bewusst. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht sie, neben der Familiengeschichtsforschung, besonders auf dem Gebiet der Regional-, Sozial- und Mentalitätsgeschichtsforschung ihren Beitrag zu leisten. nach oben
Die bisherigen Vorsitzenden der Leipziger familiengeschichtlichen Vereinigung
Volkmar Weiß
PD Dr. Dr., geboren 1944 in Zwickau, Studien an den Universitäten Leipzig und Berlin, arbeitete als Genetiker und Historiker in zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen und war Abteilungsleiter der Deutschen Zentralstelle für Genealogie im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig.
Von 1979 bis 1989 Vorsitzender der AG Genealogie Leipzig
Wolfgang Lorenz
Prof. Dr., geboren 1931 in Annaberg, Studium, von 1977 bis 1989 Professor an der Leipziger Universität, spezialisiert auf Fragen der Soziolinguistik; aktives Mitglied im Adam-Ries-Bund in Annaberg-Buchholz, Schriftleiter der genealogischen Zeitschrift „Familie und Geschichte“ (1992 – 2010).
Von 1989 bis 1990 Vorsitzender der AG Genealogie Leipzig
Uwe Bauer
Dr., geboren 1942 in Leipzig, 1960 bis 1966 Hochschulstudium, 1966 bis 2002 Tätigkeit in der Industrie, seit 1984 Mitglied der AG Genealogie Leipzig, maßgeblich an der Gründung der Leipziger Genealogischen Gesellschaft e.V. 1990 beteiligt.
Von 1990 bis 2005 Vorsitzender der Leipziger Genealogischen Gesellschaft e.V.
Martina Wermes
geboren 1958 in Leipzig, verh., 2 Kinder, 5 Enkel,
Studium der Geschichte und Archivwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin mit Abschluss als
Diplom-Archivarin (HS),
Arbeit als Archivarin und Genealogin seit 1982 in der Zentralstelle für Genealogie in der DDR.
Seit 2005 Vorsitzende der Leipziger Genealogischen Gesellschaft e.V.
Leipzig blickt auf eine über hundertjährige genealogische Tradition zurück
Die Geschichte der Genealogie in Sachsen ist noch zu schreiben. In ihr wird die hundertjährige genealogische Tradition in Leipzig einen bedeutenden Platz einnehmen. Meilensteine in dieser Tradition sind besonders die beiden Gründungen der „Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte“ am 16. Februar 1904 und der „Zentralstelle der Genealogie in der DDR“ am 1.10.1967 in Leipzig.
Leipzig gehörte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den wohlhabendsten Städten Deutschlands und war besonders als Welthandelsplatz durch seine Messe bekannt. Sie wurde die Stadt der Bücher genannt, denn über fünf Jahrhunderte war Leipzig die Kapitale des gedruckten Wortes. Geist und Gewerbe, Künstler und Kaufleute, Bücherfürsten und Börsenverein schufen hier eine einzigartige literarische Kultur. Das letzte Monument dieses literarischen Leipzigs war die als Nationalbibliothek konzipierte „Deutsche Bücherei“ die zu ihrer Gründung die Aufgabe hatte, das gesamte in- und ausländische deutschsprachige Schrifttum seit 1913 zu sammeln.
Weiterhin finden wir in Leipzig die 1409 gegründete, zweitälteste Universität Deutschlands, die hervorragende Wissenschaftler in ihrem Lehrkörper hatte, vor allem auf dem Gebiet der Geschichte. Erinnert sei hier an Leopold von Ranke und Heinrich von Treitschke. Auch befand sich in den Mauern der Stadt der gemeinsame oberste Gerichtshof Deutschlands, das Reichsgericht. Außerdem waren bedeutendes Gewerbe und Industrie, wie das graphische Gewerbe und der Maschinenbau, in der Stadt angesiedelt. So ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Umfeld die Genealogie einen guten Nährboden hatte. Aus der städtischen Elite, die sich aus Kaufleuten, Wissenschaftler, Juristen und Ingenieuren der die Stadt prägenden Institutionen zusammen setzte, fanden sich fünf genealogisch interessierte Personen, die außerdem noch Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Altertümer“ waren, zu einem Gremium zusammen. In mehreren Beratungen in den Jahren 1902 und 1903 wurde durch sie die Gründungsversammlung der „Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte“ für den 16. Februar 1904 vorbereitetet und erfolgreich durchgeführt.
Einen Abriss über den Weg der Zentralstelle in Leipzig von den Anfängen in den Jahren 1900/1904 bis zu ihrer Reorganisation im Jahre 1990 hat W. Schupp veröffentlicht. Er unterscheidet fünf Phasen, die er ausführlich beschreibt und die hier nicht wiederholend dargestellt werden sollen: 1) 1900/1904-1918: Genesis und Konsolidierung, 2) 1919-1933: Stabilisierung und Floridität, 3) 1933-1945: Assimilation, 4) 1945-1967: Interim und Stagnation und 5) 1967-1990: Restitution und Reaktivierung.
In fast allen Arbeiten über die Zentralstelle wird besonders auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen Zentralstelle und Deutscher Bücherei hingewiesen. Stellvertretend dafür sei an dieser Stelle erinnert, dass nach J. Hohlfeld, dessen Namen unzertrennbar mit der Zentralstelle verbunden ist, annähernd 20.000 Bände, die, ab 1921 erschienen, von der Zentralstelle gesammelt und bibliographisch erschlossen worden, der Deutschen Bücherei zur Verfügung gestellt worden sind. Zu Johannes Hohlfeld ist zu sagen, dass er zweifellos als der bedeutendste und erfolgreichste Leiter der Zentralstelle anzusehen ist.
Eine besondere Beachtung bedarf die Zeit von 1945 bis 1967, denn durch die Ergebnisse des 2. Weltkrieges wurde letztendlich Deutschland in zwei Staaten geteilt, die gegensätzlichen Gesellschaftssystemen angehörten. Davon wurde auch die deutsche Genealogie betroffen. In Westdeutschland organisierte sich die Genealogie vorrangig auf Vereinsebene, in Ostdeutschland wurde sie staatlich oder auf Kulturbundebene organisiert. In einer Veröffentlichung über „Die Entwicklung der Leipziger Zentralstelle von 1949 bis 1967 – Ein Beitrag zur Geschichte der Genealogie in der DDR“ behandelt V. Weiss den eben erwähnten Zeitraum. Der sich besonders dafür Interessierende wird auf diese Arbeit verwiesen.
Am 1. Oktober 1967 wurde in Leipzig die „Zentralstelle für Genealogie in der DDR“ als archivische Sammel- und Auskunftsstelle gebildet, die der Staatlichen Archivverwaltung direkt unterstellt war, gegründet. Vorausgegangen waren eine Reihe von Gutachten von Historikern, Soziologen und Naturwissenschaftlern , die diese Gründung empfohlen haben. In dieser Einrichtung sollte die gesamten einschlägigen Genealogica der DDR konzentriert werden, was auch zu großen Teilen geschah. Besonderer Erwähnung bedarf hier der verdiente Genealoge Kurt Wensch (1902-1997). Die bisher von ihn betreuten genealogischen Unterlagen im Staatsarchiv Dresden wurden durch ihn in die Zentralstelle eingebracht. Weiterhin erwähnenswert ist die von der Zentralstelle gepflegte Zusammenarbeit mit der damaligen Arbeitsgemeinschaft Genealogie Leipzig, die auch heute vom Staatsarchiv Leipzig mit d. Leipziger Genealogische Gesellschaft e.V. fortgeführt wird.
Der 3. Oktober 1990 beendete die Zweistaatlichkeit Deutschlands. In dessen Folge wurde die „Zentralstelle für Genealogie der DDR“ als „Deutsche Zentralstelle für Genealogie“ in die Hoheit des Bundeslandes Sachsen, später wieder Freistaat Sachsen, verwiesen. Durch Kabinettsbeschluss ist seit dem 1. Juli 1995 die Zentralstelle als Fachabteilung dem Sächsischen Staatsarchiv Leipzig unterstellt, wobei die Nutzung der archivalischen Sammlungen gesetzlich geregelt und dessen Handhabung gegeben sind.
Die Zentralstelle in Leipzig arbeitet seit 1904 fast ununterbrochen, auch wenn wir ein Auf und Ab zu vermerken haben. Die geringen Unterbrechungen und diese unterschiedliche Entwicklung waren durch die historischen entwicklungsbedingt, aber auch oft finanziellen Zwängen geschuldet. In der gegenwärtigen Situation in ganz Deutschland und besonders im Freistaat Sachsen ist aber die Weiterarbeit in Form der Sicherung der Unterlagen sowie der Auskunftserteilung im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig gewährleistet. Wichtig jedoch in solchen Situationen ist, dass sowohl der Freistaat Sachsen als auch die Stadt Leipzig sich ihrer großen deutschlandweiten genealogischen Traditionen bewusst sind und bleiben.
Die Leipziger Genealogische Gesellschaft e.V. hat sich zur Aufgabe gestellt, dieses besondere genealogische Erbe zu wahren und es weiterzuvermitteln.
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Johannes Hohlfeld zum 50. Todestag 25 Jahre LGG e.V. 60 JahreStaatsarchiv Leipzig
Johannes Hohlfeld, von 1924 bis 1950 Geschäftsführer der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte in Leipzig, zum 50. Todestag
Zusammenfassung zum Vortrag am 12.04.2000, Referent: Dr. Weiss, Volkmar (Rietschelstr. 28, 04177 Leipzig)
Die Arbeit der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte wurde über mehr als 25 Jahre durch die Persönlichkeit des Historikers Johannes Hohlfeld geprägt, ohne daß es sein außerordentlicher Fleiß, seine Sachkenntnis und sein ausgeprägter demokratischer Bürgersinn verhindern konnten, daß 1950 mit seinem Tode die Leipziger Zentralstelle faktisch als privatrechtliche Institution unterging. Wenn damit das organisatorische Werk auch erst einmal an der Zeit und den Umständen zweier totalitärer Systeme gescheitert war, so ragt seine Persönlichkeit und sein geistiges Lebenswerk weit über die Zeit und den Raum hinaus, in dem er gewirkt hat.
Johannes Hohlfeld wurde am 1.1.1888 in Reichenbrand bei Chemnitz geboren. Schon Ende 1911 konnte Hohlfeld eine Dissertation zu „Stadtrechnungen als historische Quellen“ vorlegen. Besonders wichtig für seine Entwicklung wurde, daß er am 1.1.1912, nachdem er durch persönliche Vermittlung von Professor Dr. Karl Lamprecht dem Vorsitzenden der „Zentralstelle für Deutsche Personen- und Fami-liengeschichte“, Rechtsanwalt Dr. Hans Breymann, vorgestellt worden war, Assistent dieser Zentralstelle wurde. Die Zentralstelle mit ihrem privatrechtlichen Status gab Hohlfeld die Schaffens- und Entscheidungsfreiheit, um z.B. mit einer Firma oder einer Familie einen Werkvertrag abzuschließen, eine Handlungsfreiheit, die mit einem Beamtenstatus und daraus folgenden haushaltsrechtlichen Vorschriften damals und heute unvereinbar wäre.
In den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur war die Haltung von Hohlfeld ambivalent: Einerseits begrüßte er die gewachsene Bedeutung der Familiengeschichtsforschung, andererseits war er stets kritisch genug, die Fragwürdigkeit und Oberflächlichkeit dieses Zuwachses zu ahnen oder zu durchschauen. Bleibende Verdienste hat sich Hohlfeld insbesondere bei der Erforschung der führenden Leipziger Familien und der Bearbeitung der Bände „Leipziger Geschlechter“ erworben.
Wenn man zum 100. Jahrestag der Leipziger Zentralstelle im Jahre 2004 einmal Bilanz ziehen wird, dann wird Hohlfeld zweifellos als der bedeutendste und erfolgreichste Leiter dieser Einrichtung benannt werden. Es ist die besondere Ironie der Geschichte, daß vier Tage nach seinem Tode am 21.4.1950 die Zentralstelle in eine Sammelstiftung überführt (und aus dieser heraus 1956 dem Archivwesen der DDR geschenkt) worden ist.
Der Vortrag ist in erweiterter Form veröffentlicht worden in:
Weiss, Volkmar: Johannes Hohlfeld, von 1924 bis 1950 Geschäftsführer der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte in Leipzig, zum 50. Todestag. Genealogie 49. Jg. (2000) 65-83. – Nachdruck: Genealogie, Sonderheft (2000/2001) 1-19. Dieses Sonderheft kann angefordert werden über E-Mail: webmaster@degener-verlag.de
Weitere Veröffentlichungen zum Thema:
Weiss, Volkmar: Die Entwicklung der Leipziger Zentralstelle von 1949 bis 1967. Ein Beitrag zur Geschichte der Genealogie in der DDR. Genealogie 48. Jg. (1999) 577-591.
Hohlfeld, Johannes: Die Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte und die Deutsche Bücherei. Herold-Jahrbuch, N.F. 4 (1999) 73-78.
Weiss, Volkmar und Katja Münchow: Ortsfamilienbücher mit Standort Leipzig in Deutscher Bücherei und Deutscher Zentralstelle für Genealogie. 2. Auflage. Neustadt/Aisch: Degener 1998 (= Genealogische Informationen 33).
Veranstaltung zum 25-jährigen Bestehen der Leipziger familiengeschichtlichen Vereinigung (25 Jahre LGG e.V.)
Zusammenfassung vom 11.12.2004
Am 11.12.2004 fand die Festveranstaltung anläßlich des 25-jährigen Bestehens der Leipziger Genealogischen Gesellschaft im Panorama Restaurant (Uni-Hochhaus) in Leipzig statt. Nach der Begrüßung hielt der Vorsitzende Dr. Uwe Bauer den Festvortrag zur Geschichte der Leipziger familiengeschichtlichen Vereinigung in Form eines genealogischen Leipziger Bilderbogens.
Zur Geschichte der organisierten Genealogie in Leipzig und die Zusammenarbeit mir dem Staatsarchiv Leipzig
Ein Beitrag zur Festveranstaltung anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Staatsarchiv Leipzig am 23. Mai 2014
von Dr. Uwe Bauer als PDF hier. nach oben
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